TRAUM
Als
hätte mir jemand ins Kreuz getreten. Etwa einen Fuß breit unterhalb
der Schulterblätter. Beeinträchtig so ziemlich die komplette Statik
vom Kerl. Vom Entspanntheitsfaktor wohl eher so, als würde mir
jemand eine geladene Schrotflinte mit offensichtlich unfreundlicher
Absicht genau in die oben versucht zu beschreibenden Stelle drücken.
Mit
Gewalt.
Und
Genuß.
Genuß
für Ihn. Nicht für mich.
Heute
morgen hab ich kurz vor dem Aufwachen geträumt.
Oder
zwischen dem Aufwachen und wieder Einschlafen und Wecker eine halbe
Stunde weiter stellen und wieder Aufwachen.
Ich
war auf der Flucht und habe jemanden verfolgt. Oder umgekehrt?
Innerhalb eines Gebäudes. So ein Stahl-Glas
was-sind-wir-doch-alle-so-wichtig Gebäude. Und irgendwie war auch
viel weiß da. Marmor? Egal.
Jedenfalls
Rolltreppen zum schwindelig werden. So als hätte Groß-Goliath mit
einem Dutzend unterschiedlich langer Rolltreppen Mikado gespielt.
Unter-, neben, übereinander, zwischendrin auch noch und darüber
hinweg.
Und
ich muß dringend eine erwischen, sonst erwischen sie mich. Und sie
entwischen mir. Oder so.
Ich
erwische jedenfalls offensichtlich die längste. Lang und schmal und
hoch und aufwärts geht’s.
Und
fieserweise wird das Ding immer steiler. Als wollte diese blöde
Fahrtreppe sich mit zunehmender Höhe in einen Fahrstuhl verwandeln,
bewegt sich alles langsam aber merklich in die Vertikale. Der
Handlauf läuft jetzt fast senkrecht. Aber nicht der Handlauf macht
mir Sorge. Die Stufen werden auch immer steiler und schmaler. Ich
bebe vor Angst und konzentriere mich auf den Blick gradeaus. Nur kurz
nach unten gelinst und alle erdenklichen Tode gestorben. Schlechte
Idee, nach unten schau'n.
Nach
oben aber durchaus auch ebenso. Den Kopf muß ich dafür ziemlich in
den Nacken legen und es geht noch verdammt weit steil nach oben.
Irgendwie in Richtung Looping. Blöde Richtung. Also Gradeaus. Am
besten den Handlauf im Blick.
Schau
gradeaus.
Halt
den Handlauf. Und nicht Klammern. Ich kann mich nicht erinner einen
bescheuerten Rolltreppenhandlauf jemals so intensiv angesehen zu
haben. So viele unsichbare Fingerabdrücke wie eine eifrige
Hafendirne und ebensoviele unsichtbare Viren, Bakterien und was einem
das Leben sonst noch so lebenswert macht.
Dieser kack schwarze Gummiderivat-Handhalter braucht auch noch sensible
Behandlung, sonst bleibt er stehen und ... und irgendwas blödes
passiert dann. Keine Ahnung. Das steht auch nicht drauf sondern das
weis ich irgendwie. Oder ich drücke mal kurz zu fest und die blöde
Apparatur wird langsamer.
Also
nur mit zwei Fingern festhalten. Der Daumen darf vielleicht auch ab
und zu noch mitspielen aber nicht zu fest drücken. Sonst geht das
hier echt in die Hose.
So
jedenfalls meine feste Überzeugung, mein intuitives Wissen.
Und
irgendwie so, quasi mit den Zehenspitzen auf einer
Rolltreppenstufenkante, fixiert mit drei Fingern an einem Handlauf
reise ich nach oben. Während die bescheuerte Vertikaltreppe
selbstverständlich auch noch ihre Geschwindigkeit in Richtung noch
schneller modifiziert.
Aber
ich habe das unbestimmte Gefühl, irgendjemaden abgehängt zu haben
oder (oder und) jemandem wichtigen näher gekommen zu sein.
Und
dann bin ich oben.
Und
da komme ich in ... irgendwas ... was wie ein Dachgarten aussieht.
Nur ziemlich immens. Von der Größe her gesehen echt beeindruckend.
Wie man sich als Minigolfer so einen Golfplatz für die Großen
vorstellt. Und rundherum die Fangnetze. Damit die Schmetterlinge
nicht abhauen. Und irgendwie auch ein Dach drüber. Aber schön.
Hügelige Grasflächen. Bachläufe, Hecken, Bäume. Natürlich, auch
wenn menschliche Einflußnahme unverkennbar ist. So in Richtung
„naturnaher Garten von berufstätigem akadem. Ehepaar mit
nicht grade ärmlichen Vorfahren vom Lande“.
Und
da an einem Hang, der aussieht als wäre er grade von einem
Hochwasser freigespült worden sitzt ein Typ.
Offenbar
der, den ich suche? Naja. Jedenfalls ziemlich genau die Art von von
Typ die ich vielleicht hier such aber eigentlich überhaupt nicht brauche. Südländisch dunkel, min.
1,80, braune Augen, sportlich, schwarze Haare. Die perfekte
Konkurrenz zum Mißerfolg unter allen Sehenden wenn man 1,75,
dicklich, picklich, bebrillt und straßenköterblond in der Welt
weilt und eh' grad' schon Minderwertigkeitsgefühle genug hat. Nett
ist er selbstverständlich auch noch. Und einfühlsam und hat wohl
auch noch auf mich gewartet. Als hätte mir nicht garde diese blöde
Rolltreppe schon den Tag versaut.
Aber
ich setze mich neben diesen Typen an den Hang. Und aus dieser
Hangfläche oder dem Abbruch kam langsam eine Flasche zum Vorschein.
Eine Flasche aus Weißglas, leer, irgendwie altbacken oder antik oder
zumindest nicht gebräuchlich. Und vor allem mit einer Hand daran.
Einer menschlichen. Bräunlich wie die Dreckfläche, also der
umgebende Erdboden. Aber doch verglichen mit ihrer Herkunft
unerwartet sauber. Und ein Arm hängt daran an der Hand. Eine Jacken- und
Hemdstoff- bekleideter Arm. Mit nem Typen dran. Einem zu dem
Latin-Lover weiteren in diesem Dachgarten. Dicklich.
Straßenköterblond. Irgendwie so meine Größe. Irgendwie auch gar
nicht mal unerwartet oder ungewöhnlich, wie er da aus der Scholle
bricht. Eher so: ach, da isser ja.
Und jetzt nix wie weg.
„Boah
Alter, das halt ich nicht aus.“ sag ich freundlich und setz mich
von ihm weg. „Du stinkst wie Sau.“
„Ja
ich weis. Macht nix.“
Und
dann wach´ ich endgültig auf.
.